Presse zu »Das Phantom der Volksmusik«

Mitteldeutsche Zeitung, Uwe Kraus, 20. Juli 2012

Musikalischer Phantom-Schmerz
Zitternd an der Zither

PREMIERE „Das Phantom der Volksmusik“, ein Schauspiel mit Musik nach dem Roman „Das Phantom der Oper“, begeistert nicht nur Freunde des Jodelns.
VON UWE KRAUS

ALTENBRAK/MZ- Ein „großartiges Fest der wundervollsten Stimmen und herrlichsten Melodien der Volksmusik“ soll auf dem Heiligtum Harzer Jodelns zu erleben sein. Die nur mit einem mickrigen Etat ausgestattete Truppe greift zur Selbsthilfe und spielt auf der Waldbühne Altenbrak die Stars selbst. Als wäre das nicht schon die Super-Katastrophe, denn wie in der echten Glamourwelt zickt man sich an und pflegt das eigene Ego, droht noch ein Wahnsinniger, das alles zu sabotieren. Nur langsam schält sich heraus, wer dieser Mensch ist, der sich hinter der Maske verbirgt (Stephan Werschke) und was ihn dazu treibt.
Blindwütige Zerstörungen, Diebstahl, Entführung und ein Mordanschlag halten das Ensemble ziemlich in Trab oder besser, werfen es aus der gewohnten Bahn. Das Team des Hallenser Theaters Varomodi lebt diesen Volksmusikrummel förmlich, immer mit einem Augenzwinkern unterhält es das Publikum wie bei den großen Shows dieses Genres. Wer denen folgt, wird viele Attitüden kennen, erkennt, was live oder halbplayback dargeboten wird. Dazu kommt, dass selbst die Fragen von Günther, dem Moderator und Direktor, in aller Abgeklärtheit, Selbstüberschätzung und Schmierigkeit vom stimmlich leicht angeschlagenen Martin Kreusch gespielt, vorhersehbar sind, wenn man wenigstens schon mal in so eine TV-Gala hereingeschaut hat. Kreusch ist der Einzige, der in der Inszenierung nicht singt. Jedoch muss er seinen Status immer wieder gegen Mitmoderator Anton (Jan Felix Frenkel) verteidigen, der sich zur Ensemble-Rettung ins Unternehmen eingekauft hat. Dafür darf dessen Frau Carola, dargestellt von der in der Region besonders in ihrer Rolle als Dorothea Erxleben bekannten Katrin Schinköth-Haase, das neu geschaffene Volksmusikjubellied zum Ende der Gala singen. Das gefällt dem Phantom der Volksmusik gar nicht. Schließlich fungiert es für Garderobiere Christine auch als „Engel der Volksmusik“ und will, dass die stimmgewaltige Darstellerin (Gabriele Maria Schmidt) seinen Hit „Kennst Du das Land, wo die Volksmusik blüht“ interpretiert. Die Beweggründe und was Anton damit zu tun hat, erfährt der Zuschauer während der chaotischen Probe Schritt für Schritt. Schließlich kommt das Phantom aus Lupatapa und ist deutschen Volksmelodien nicht abgeneigt.
Der Text von der verdienstvollen Spielleiterin von Varomodi, Anna Siegmund-Schultze, wandelt gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen den Phrasen aus dem Show-Geschäft und aktuellen Bezügen in einer „Zeit von Euro-Krise, Gammelfleisch, Gema-Gebühren und FDP “. Die Musik für das Stück (Arrangements: Rufos Paella) wurde neu komponiert. Doch Varomodi verhehlt nicht, dass Klassikkenner und -fans durchaus musikalische Ideen und Motive aus berühmten Opern erkennen. Szenen-Applaus gab es für „’s is Feieromd “ ebenso wie für das beliebte Pionierlied „Unsere Heimat“.
Neben der Einspielung düsterer Phantom-Klänge lebt das Stück in erster Linie von einer Vier-Mann-Band und dem Auftritt des Harzer Jodlermeister Andreas Knopf mit Partnerin Martina. Stimmlich gefielen die Varomodi-Mitstreiter als Duo, Trio oder großes Ensemble. Kein Wunder, zählen doch ausgebildete Opernsängerinnen zur Besetzung. Kräftig spielte das Wetter den Künstlern in die Hand. Gut platziert der Song vom Schauer, der nicht von Dauer ist, als der Himmel blau-schwarz gemalt war. Ob unterm Schirm oder in strahlender Abendsonne, das Publikum hielt der Aufführung die Treue.
Die Macher des Spektakels schrecken nicht vor erwartbaren klassischen Gags zurück: Stromausfall und defekte Playback-Anlage, falsche Einsätze und geklaute Klamotten. Letzteres führt dazu, dass der männliche Teil des Casts nackt über die Szenerie rennen muss. Hochachtung dafür bei 13 Grad Temperatur und leichter Feuchte nach dem ersten Teil.
Nach der Probe in ersten Akt wird es Phantom-beäugt im zweiten Teil Ernst. Trotz aller Widrigkeiten läuft das „Große Fest der Volksmusik“, wobei einzelne Wiederholungen durchaus kürzer ausfallen könnten. Ob „Die United Hosenjäger“ oder „Die Schürzenträger“, der Auftritt von Mandy Hettstedt aus Mansfeld oder die aus Altersgründen zitternden Zither-Spieler, gagreiche Unterhaltung ist garantiert.
„Das Phantom der Volksmusik“ lebt von einer prima Ensemble-Leistung. Ob Axel Kohout als Maskenbildner Franz-Theodor in lila Strümpfen, der „aus optischen Gründen mitspielt“, Uta Thamm, die ihren Kontrabass hin- und herräumen lässt, oder Kaffee-Trägerin Nancy Mattstedt, alle bekommen ihren Auftritt. Und wenn es nur als Knall-Charge ist.
Als dem Phantom der Volksmusik letztlich die Maske heruntergerissen und sein Geheimnis gelüftet wird, verbirgt sich dahinter durchaus eine Volksmusik-Geschichte. Vielleicht wird die in der kommenden Saison in Lupataba erzählt.

Das Phantom der Volksmusik