Presse zu »Enigma«
Mitteldeutsche Zeitung, von Andreas Montag
Lehrreicher Disput über die Liebe – Anna Siegmund-Schultze inszeniert »Enigma«
Halle/MZ. Der französische Autor Eric-Emmanuel Schmitt (Jahrgang 1960, »Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran«) ist mit dem Talent begabt, moralische Erhellungen auf fast boulevardeske Weise zugespitzt zu verkaufen – das Publikum dankt es ihm mit Hingabe, so auch in Halle. Dort, in der theatrale, hatte jetzt Schmitts Zweipersonenstück „Enigma“ Premiere, eine philosophierende Geschichte um Liebe und Verantwortung.
Der Provinzjournalist Erik Larsen (der gar kein Journalist ist, wie sich bald zeigen soll) wird von dem menschenhassenden Schriftsteller Abel Znorko auf seiner hoch im Norden liegenden Insel empfangen. Warum tut er das?, fragt man sich. Und warum tut Larsen (Klaus-Dieter Bange) sich das an? Denn der berühmte Znorko (Klaus Birkefeld) ist ein Kotzbrocken – dabei natürlich mit viel Charme gesegnet und der eigenen Wirkung sicher.
Nun führen Autor und Regie (Anna Siegmund-Schultze) das Rätsel (denn genau das bedeutet ja »Enigma«) Schritt um Schritt der Auflösung zu. Und jedes Mal, wenn sie endlich gefunden scheint, zeigt sich, dass dies noch immer nicht alles gewesen sein kann.
Die Frau, der Znorko sein jüngstes, zudem erfolgreichstes Buch gewidmet hat, ist keine literarische Fiktion, Znorko hat sie leidenschaftlich geliebt, bevor er sie vor 15 Jahren aus Angst vor zu großer Nähe verließ, aber er hat mit ihr korrespondiert, er vermisst sie. Und Larsen, dieser vorgebliche Zeitungsmensch, ist ihr Mann …
So dreht sich das tragische Spiel munter weiter, die letzte Pointe soll hier nicht verraten werden. Sicher ist beizeiten: Dieser Abel Znorko verkörpert den Prototyp eines Intellektuellen, der aus Angst vor sich selbst in maßlose Selbstbezogenheit flieht und seine Nacktheit mit blankem Zynismus panzert. Klaus Birkefeld spielt diesen brüchigen Charakter mit allem Glanz, aller Morbidität und Verzweiflung, die das Stück nur hergibt. Dagegen hat es Klaus-Dieter Bange als anständiger Kerl natürlich schwerer. Er mausert sich zwar während des lehrreichen Disputs über die Liebe vom scheinbar hoffnungslos Unterlegenen zum moralischen wie faktischen Sieger. Aber das Böse ist (nicht nur auf dem Theater) eben faszinierender. Ein Leiden, an dem auch der »Faust« oft laboriert.